Von der Raumfahrt zur Promotion in der Produktionstechnik
Eigentlich wollte er bei der ESA, der European Space Agency arbeiten. Heute promoviert Carl Willy Mehling am renommierten Fraunhofer IWU in Dresden und arbeitet daran KI-Systeme in der Produktion erfolgreich einzusetzen. Im Interview mit Produktionstalente spricht er über seinen interessanten Weg von der Raumfahrt zur Produktionstechnik und zeigt dabei eindrucksvoll, dass Interesse am Thema, ein bisschen Offenheit für Neues und der Drang etwas zu Gestalten eine gute Mischung für den eigenen Werdegang darstellt.
Hallo Willy, sehr cool, dass wir uns hier mal über deine Promotion unterhalten können. Vielen Dank schon einmal dafür. Wir haben uns ja im Vorfeld schon unterhalten, magst du dich den anderen aber einmal ganz kurz vorstellen?
Hallo Oliver, vielen Dank für die Einladung! Mein Name ist Willy und ich bin Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Digitalisierung in der Produktion am Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik in Dresden, einem der größten produktionstechnischen Institute in der Fraunhofer Gesellschaft. Am Fraunhofer IWU beschäftige ich mich mit der spannenden Kombination aus menschlichem Wissen, Maschinendaten und künstlicher Intelligenz. Immer mit dem Ziel die Produktion effizienter zu gestalten und den Menschen optimal zu unterstützen.
Wenn ich mir deinen Werdegang so ansehe, dann kommst du ja ursprünglich aus der Raumfahrt. Wie bist du jetzt zur Produktionstechnik und zum Thema KI gekommen?
In meinem Studium der Raumfahrttechnik habe ich mich parallel viel mit der Strömungssimulation beschäftigt und hatte immer das große Ziel vor Augen, eines Tages bei der ESA (European Space Agency) zu arbeiten. Mit meinem Praktikum zur Diplomarbeit bei der ESTEC in den Niederlanden konnte ich mir diesen Traum erfüllen. Bei der ESTEC war ich zutiefst beeindruckt von all den smarten und bis in die Haarspitzen motivierten Researchern aus ganz Europa. Dieses Maß an Hingabe für das eigene Fach hat mich so sehr beeindurckt, dass ich hinterfragt habe, wofür ich genauso viel Leidenschaft habe, wie meine Kollegen. Bei mir ist es vor allem das Programmieren. Parallel zum Praktikum habe ich dann jeden Abend und die Wochenenden mit Kursen zum maschinellen Lernen und der Programmierung verbracht. Zurück in Dresden habe ich mit dem Wissen einen guten Studentenjob im Bereich Computer Vision ergattern können, welcher mir letztendlich auch meine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter ermöglicht hat.
Carl Willy Mehling, Dipl.-Ing.
Wissenschaftliche Mitarbeiter am Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) in Dresden
Berufliche Laufbahn:
- 09/19-heute: Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer IWU
- 02/19-08/19: Werksstudent bei T-Systems Multimedia Solutions GmbH
- 07/18-12/18: Diplomand European Space Agency (ESA)
- 09/15-01/16: Praktikant Airbus Defense and Space
Ausbildung:
- Studium: Maschinenbau, Vertiefung Luft- und Raumfahrttechnik (Diplom) an der Technischen Universität Dresden
Das hört sich so an, als ob du eigentlich in die Promotion und die Produktionstechnik so reingerutscht bist, oder wie würdest du das nennen?
Das kann man definitiv so sagen. Bei meinem Studentenjob im Bereich Computer Vision habe ich schnell gemerkt, dass ich die Entwicklung spannend finde, aber die Anwendung für die Optimierung von Websites mich nicht erfüllt. Daher war schnell klar, dass ich etwas in Verbindung von Informatik und Maschinenbau machen will. Das führte mich schließlich zum Fraunhofer IWU. Hier habe ich genau diese fachliche Kombination, kann an neuen Technologien arbeiten und habe die Möglichkeit zur Promotion.
Jetzt kommst du aus der Raumfahrt und hast Interesse an den großen Thema KI aus Programmiersicht. Das sind doch zwei Themengebiete in denen du unglaublich viele Möglichkeiten hast. Warum entscheidest du dich dann für den Weg in die Produktionstechnik? Was reizt dich dadran? Das ist mir noch nicht ganz klar.
Spannend, dass du das fragst! Die Raumfahrt ist erstmal sehr interessant und begeistert mich nach wie vor. Tatsächlich sind die Entwicklungshorizonte in der Raumfahrt, gerade in Europa, sehr lang und damit der eigene Impact begrenzt. In der Produktionstechnik sieht es aufgrund der großen Vielfalt und dem sehr tiefen Know-How in Deutschland anders aus. In jedem Unternehmen warten hier neue Herausforderungen und damit viel Raum für Innovation. KI ist hier besonders spannend, da die Maschinendaten bisher selten umfassend erhoben und ausgewertet wurden. Jedes Produktionsunternehmen besitzt damit enormes Potenzial für Innovationen und natürlich spannende Herausforderungen für alle Mitarbeitenden.
Ah Cool, verständen. Dann lass uns da doch nochmal ein bisschen reinschauen. Du bist jetzt seit 2019 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IWU und seit 2021 in der Abteilung Digitalisierung in der Produktion. Würdest du Rückblickend betrachtet sagen, das war der richtige Weg für deine Motivation?
Definitiv! Bei Fraunhofer habe ich die Mischung aus angewandter Forschung und Industrienähe, die für mich einfach super passt und für stets neue Motivation sorgt. Ehrlich gesagt, ist das in meinem Fall aber eher ein glücklicher Zufall als eine bewusste Entscheidung gewesen. Als ich nach einer Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter gesucht habe, kamen mir zuerst Stellen an der Uni in den Sinn. Die Angebote bei Franhofer wurden mir dann über das Jobportal der Uni mitangezeigt. Bei Fraunhofer habe ich im Bereich Datenanalyse in der Steuerungstechnik begonnen und bin dann später in die Abteilung Digitalisierung in der Produktion gewechselt, wo ich einfach größere thematische Schnittmengen hatte, und somit mehr Lernen und Beitragen konnte.
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Motivation ist für mich in dem Sinne auch noch ein zweites Stichwort. Wenn man eher so zufällig in die Promotion kommt, fällt es mir schwer mir vorzustellen, dass man die notwendige Motivation für eine Promotion aufbringen kann. Ich sage ja immer, dass man vorher wissen muss, warum man das macht. Wie ist das bei dir? Fällt dir das leicht?
Zu wissen, warum man promovieren will, und das in schwierigen Situationen auch abrufen zu könenn, ist für mich essenziel, um eine Promotion abschließen zu können. In meinem Fall habe ich das große Glück, dass ich ein Forschungsprojekt mit großer Überschneidung zu meinem Dissertationsvorhaben habe. Hierdurch deckt sich die Erarbeitung der Ergebnisse mit der täglichen Arbeit und wir können die Resultate direkt in der Industrie auf Praxistauglichkeit testen. Für das Aufschreiben muss ich mich aber immer aufs neue Motivieren, Ziele und Deadlines setzen. Jetzt in der finalen Phase habe ich mit meiner Frau einen Vertrag geschlossen: Wenn ich nicht mind. 3h pro Woche an der Dissertation schreibe, muss ich eine zusätzliche Nachtschicht mit entsprechend wenig Schlaf bei unserem 1,5 Jährigen Sohn übernehmen… Das motiviert dann schon auch am Sonntag Abend nochmal die 3h vollzumachen 😊.
Oha, das hätte bei mir vermutlich zum Gegenteil geführt. Aber warum willst du denn eigentlich promovieren? Die Frage stelle ich sonst immer am Anfang, aber dein Werdegang war irgendwie zu speziell.
Für mich ist das eine große Herausforderung, bei der ich herausfinden will, ob ich das schaffen kann. Ähnlich wie mit dem Traum eines Tages bei der ESA zu arbeiten. Das Gute bei uns Ingenieuren ist, dass die Promotion einem gleichzeitig viele spannende Jobmöglichkeiten in der Industrie eröffnet, bei denen ich viel Freude hätte. Also für mich eine Mischung aus persönlicher und beruflicher Weiterbildung.
Ich finde, dass man an deinem Werdegang total schön sieht, dass nicht immer alles so stringent und gerade verlaufen kann. Und dass sich unterschiedliche Fähigkeiten kombiniert in anderen Bereichen bewährt machen können. Wie geht es denn bei dir weiter? Hast du dafür schon einen Plan?
Unser Forschungsprojekt läuft Ende des Jahres aus, dann möchte ich im Frühjahr die erste Textfassung haben und bis Ende des Jahres die Promotion abschließen. Als nächstes Abenteuer planen wir gerade aus dem Projekt eine Ausgründung zu starten und unsere Lösung am Markt zu erproben. Also von der angewandten Forschung wirklich in die Anwendung.
Ok, das klingt gut. Da sollten wir dann mal in Kontakt bleiben. Das Thema Ausgründungen finde ich auch total spannend. Abschließend aber noch eine letzte Frage, die sicherlich für potentielle Arbeitgeber interessant ist. Auch wenn du gerade den Weg in die Selbstständigkeit planst.
Mit deinen Fähigkeiten bist du sicherlich auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt und bist auch nicht auf die Produktionstechnik beschränkt. Was müsste dir denn ein Arbeitgeber bieten, damit er dich für sich gewinnen kann? Was wäre dir für deine Arbeit wichtig? So wie ich dich kennengelernt habe, ist es nicht bloß ein hohes Gehalt, oder?
An meiner jetzigen Position schätze ich die Möglichkeit Themen selbsständig voranzubringen, effektive Lösungen zu entwickeln und diese schnell umzusetzen. Diese Lösungsorientierung, das entgegengebrachte Vertrauen in die Mitarbeitenden und klare Entscheidungen sind für mich auch die wichtigsten Kriterien für einen erfüllenden Arbeitsplatz. Kurzum: Man muss etwas vorwärts bringen können! Aus meiner bisherigen Erfahrung, findet man solche Bedingungen häufiger bei mittelständischen Unternehmen und deutlich seltener in größeren Konzernen.
Vielen Dank Willy. Das war ein schönes Schlusswort und spricht mir quasi aus der Seele. Das ist mit eine Motivation für Produktionstalente.
Das war ein spannendes Gespräch und ich habe wieder mal eine andere Seite gesehen, um an das ganze Thema Promotion herauszugehen. Viel Erfolg für den Abschluss deiner Dissertation.
Vielen Dank! Dir auch alles Gute!
Autor: Oliver Maiß
Hallo, mein Name ist Oliver und ich bin Gründer und Initiator von Produktionstalente. Ich habe selbst 6 Jahre am IFW in Hannover promoviert und kenne daher viele Herausforderungen vor, während und nach der Promotion. Ich schaffe gerne Möglichkeiten, um Menschen miteinander zu vernetzen, weil ich davon überzeugt bin, dass wir aus jeder Begegnung etwas wertvolles für uns mitnehmen können. Und vielleicht konntest du ja jetzt auch schon etwas von mir mitnehmen.