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Eine Gründungsidee entsteht durch anwendungsnahe Forschung

Interview mit VibroCut-Gründer Oliver Georgi

Interview Oliver Georgi; VibroCut; Ultraschall Zerspanung; Produktionstalente; Unternehmensgründung

Als angestellter Konstrukteur und Entwickler bei einem Werkzeugmaschinenbauer wollte er sich weiterentwickeln und entschied sich für eine Promotion am Fraunhofer IWU in Chemnitz. Heute ist Dr.-Ing. Oliver Georgi geschäftsführender Gesellschafter in seinem eigenen Unternehmen und vermarktet seine Forschungsergebnisse. Wir haben ein spannendes Gespräch mit dem promovierten Gründer geführt und über die Motivation zur Promotion, die Gründung der VibroCut GmbH und die Förderung von Start-ups an den produktionstechnischen Instituten gesprochen.

Hallo Oliver, vielen Dank für deine Zeit und dieses Gespräch. Wie immer würde ich gerne mit einer kurzen Vorstellung starten. Wer bist du? Und was machst du? 

Mein Name ist Oliver Georgi. Ich bin 37 Jahre alt, verheiratet und habe einen 12jähigen Sohn. Innerhalb meiner Ausbildung bin ich den klassischen Weg über Abitur und Maschinenbaustudium gegangen. Nach einigen Jahren in der Industrie wechselte ich mit dem Ziel der Promotion an das Fraunhofer IWU in Chemnitz. Dort habe ich basierend auf vorangehenden Grundlagenprojekten das Thema der ultraschallunterstützten Zerspanung aufgebaut und innerhalb einer Vielzahl von Projekten zusammen bearbeitet. Neben der Promotion auf diesem Gebiet hatte ich die Gelegenheit das Thema bis hin zur prototypischen Integration und Qualifikation in der Serienfertigung von namenhaften Unternehmen zu betreuen. Daraus ergab sich schlussendlich der Bedarf aber auch die Überzeugung dieses Thema zu kommerzialisieren und mit meinem Team ein eigenes Unternehmen die VibroCut GmbH zu gründen. Heute bin ich dort als geschäftsführender Gesellschafter tätig.

Super, danke dir. Natürlich möchte ich mit dir heute über dein Unternehmen VibroCut sprechen und wie du dazu gekommen bist. Aber anfangen möchte ich erstmal mit der Promotion. Wieso hast du dich für eine Promotion entschieden? Und würdest du es heute wieder machen?

In meiner vorangehenden Zeit als Entwicklungsingenieur bei einem Werkzeugmaschinenhersteller habe ich sehr spezialisiert vor allem in der Baugruppenkonstruktion gearbeitet. Dies habe ich mit viel Freude und Engagement gemacht, aber festgestellt, dass ich gern einen Schritt weiter in Richtung Qualifikation und vor allem im übergreifenden Verständnis und Methodik als Grundlage für innovative Entwicklungsthemen gehen möchte. Hier schien mir der Schritt zum Wechsel an das Fraunhofer Institut mit seiner anwendungsorientierten Forschung und Entwicklung gut geeignet. Diesen Schritt würde ich jederzeit wieder so gehen, weil ich mich dort mit den notwendigen Freiheiten, welche ein Forschungsumfeld bietet, fantastisch in vielen domänenübergreifenden Bereichen weiterentwickeln konnte.

Dr.-Ing. Oliver Georgi

Co-Gründer und Geschäftsführer der VibroCut GmbH

Berufliche Laufbahn:

  • 2012-2015: Niles-Simmons Industrieanlagen GmbH
    Mechanische Konstruktion und Entwicklung 
  • 2015-2024: Fraunhofer IWU
    Wissenschaftlicher Mitarbeiter / Gruppenleiter Hochleistungsbearbeitung / Stellv. Abteilungsleitung Zerspanungstechnologie
  • 2023-heute: VibroCut GmbH
    Geschäftsführender Gesellschafter

Ausbildung:

  • Promotion TU-Chemnitz
  • Diplomstudium Maschinenbau und Produktionstechnik TU-Chemnitz
  • Abitur Gymnasium am Sandberg Wilkau-Haßlau

Verstehe. Wie verlief denn deine Promotion so? War das eher strukturiert oder in Eigenregie?

Die Arbeit an Fraunhofer Instituten ist durch einen Mix aus öffentlichen Forschungsprojekten und Industriedienstleistungen geprägt. In diesem Umfeld war die Promotion von der Themenfindung, über Projektakquise, dem strategischen Aufbau des Forschungsfeldes sowie der Projekt- und Forschungsarbeit bis zum Verfassen der Dissertation eine komplette Eigenregie. Ich habe diese Randbedingung während meiner Zeit jedoch als großen Vorteil gesehen, weil dadurch eine umfassende Gestaltungsfreiheit gegeben war.

Ja, das höre ich oft bei dieser Frage. Meistens wird es etwas aber eher bedauernd gesagt. Aber ich denke auch, da steckt viel positives drin. Auch, wenn man das so nicht direkt selbst sieht. 

Ich betrachte die Promotion heute ja als eine Art Ausbildung bei der es weniger um das Buch geht, sondern mehr um den Werkzeugkasten. Und wenn ich das alles selbststrukturiert mache, bekomme ich natürlich viele wertvolle Fähigkeiten.

Welche Fähigkeiten würdest du denn sagen, hast du durch die Promotion besonders dazugelernt? 

Die Promotion hat mich aus fachlicher Sicht aus dem Bereich der Mechanik in Richtung Zerspanungstechnik, Mechatronik, Elektrotechnik und Modellbildung gebracht. Dieses übergreifende Thema hat gerade im Bereich der Ultraschalltechnik ein übergreifendes Wissen generiert, von dem wir bis heute bei dieser herausfordernden Thematik profitieren.

Darüber hinaus braucht es bei einem solchen Langzeitprojekt in Eigenregie eine ganze Reihe von Fähigkeiten, die man gemeinsam mit der Aufgabe entwickelt. Dies betrifft vor allem ein passendes Projekt- und Zeitmanagement. Auf der einen Seite ist eine Priorisierung unabdingbar. Dennoch ist ein hohes Maß an Willen, Engagement und Arbeitszeit erforderlich, um das Ziel zu erreichen. All diese Punkte sind im späteren beruflichen Werdegang immer wieder wichtig, um Ziele zu erreichen.

Das ist dann auch eine gute Überleitung, um zu deinem Unternehmen zu kommen. Wie ist es zur Gründung von VibroCut gekommen?  

Wie angesprochen habe ich mit einem Team, während meiner Promotionszeit viele erfolgreiche Projekte mit Industrieunternehmen durchgeführt, welche in direktem Zusammenhang mit meinem Promotionsthema standen. Daraus ergab sich ein Bedarf zur Kommerzialisierung des ultraschallunterstützten Bohrens, welchem wir nun mit dem eigenen Unternehmen nachkommen. Somit steht die Gründung in direktem Zusammenhang mit meinem Promotionsthema. Viele Bausteine der Produktentwicklung basierend auf Erkenntnissen und Erfahrungen aus den Forschungsarbeiten. 


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Und euer Thema ist dann aber das vibrationsunterstützte Zerspanen, richtig? Oder nur Bohren? Was passiert da Technologisch? Warum hat das Vorteile? 

Richtig. Hier geht es vor allem darum durch eine zusätzliche definierte Schwingung technologische Grenzen zu verschieben. Die Mechanismen sind dabei sehr vielfältig. Durch die Ultraschallschwingung wird z.B. Reibung stark verringert, was zu längeren Werkzeugstandzeiten führt. Bei bestimmten Werkstoffen führt die Einwirkung des Ultraschalls zu einer sinkenden Festigkeit des zu zerspanenden Materials, wodurch Bearbeitungskräfte gesenkt werden und höhere Schnittwerte möglich sind, d.h. in der Folge eine höhere Produktivität erreicht wird. All das führt zu Effizienzgewinnen und Kosteneinsparungen bei unseren Kunden.

Was würdest du sagen, hilft dir die Promotion heute beim Aufbau deines Unternehmens? Und wenn ja, wie hilft sie dir dabei?

Das vertiefte Fachwissen, das Systemverständnis, die entwickelten Modelle und Vorgehensweisen sind wesentliche Grundlage für unsere Produkte. 

Darüber hinaus helfen die angesprochen persönlichen Fähigkeiten beim Aufbau des Unternehmens. Wie es am Anfang der Promotion war, sind nun ebenfalls viele neue Bereiche wie Vertrieb, Finanzen etc. notwendig, um alle gesteckten Ziele zu erreichen. Somit ist das Unternehmen einerseits eine Weiterführung, andererseits jedoch auch der Start einer neuen Reise. 

Wurdet ihr denn bei der Gründung durch das Institut unterstützt? Ihr sitzt ja heute noch im oder zumindest in der Nähe des Instituts und könnt die Ausstattung nutzen. War das von Anfang so oder musstet ihr euch das erarbeiten? Wie war das vor allem in der Anfangszeit, als VibroCut noch nur eine Idee war? 

Eigentlich ist die Unterstützung und Zusammenarbeit mit der Promotion vergleichbar. Das Thema haben wir in Eigenregie umgesetzt. Dies ist auch notwendig, um selbst zu reflektieren und die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Auf der anderen Seite gab und gibt es immer Unterstützung, wenn sich entsprechende Schnittstellen und Bedarfe auftun. Zum Beispiel bei der Anbahnung unseres EXIST Forschungstransfers, der Ausgestaltung des Lizenzvertrags für die Patente, der Nutzung von Infrastruktur und vielen anderen Punkten konnten wir uns immer auf die Rückendeckung und Kompromissbereitschaft aller Instanzen im Institut verlassen. Gerade in der Anfangszeit haben wir zudem von den Gründungsstrukturen und -erfahrungen bei Fraunhofer profitiert, weil es hier z.B. für das erste Finanzkonzept interne Mittel und damit Personalkapazität zur Konzeptionierung des Unternehmens zur Verfügung standen. 

Ich habe da mit Markus Westermeier von Spanflug auch schon mal drüber gesprochen und würde dir gerne die gleiche Frage stellen, weil du zwar aus dem gleichen Bereich kommst, aber eben von einem anderen Institut. Und vor allem nicht aus dem Gründerumfeld der TU München. 

Wie würdest du die grundsätzliche Unterstützung durch die Institute bei der Gründung einschätzen? Ich denke oft, dass es ja wirklich viele total innovative Ideen in den Instituten gibt. Klar, viele sind noch weit weg von einem industriellen Einsatz. Aber viele eben auch nicht. Und nach meinem Gefühl, könnten die Institute die Gründung von Startups viel stärker fördern, oder was meinst du? 

Wie vorab angesprochen, sind die Strukturen dafür bei Fraunhofer sehr gut. Einerseits handelt es sich bei den Themen oft um anwendungsnahe Forschung und Entwicklung, so das der technische Sprung zur kommerziellen Anwendung vergleichsweise klein ist. Auf deren anderen Seite gibt es etablierte Strukturen, Programme und Erfahrungen, um Gründungen auf den Weg zu bringen.

Wie bei der Promotion muss auch eine Unternehmensgründung immer von innen heraus kommen. Das bedeutet für mich es braucht zuerst ein Team, was sich für eine Gründung entscheidet und das Thema mit Herzblut vorantreibt. Hier sollte meiner Meinung nach der Fokus nicht nur auf die Förderung von Strukturen gelegt werden, sondern vielmehr an der Wurzel, also bei den Wissenschaftlern der Mut für einen solchen Weg gefördert werden. Dies ist sicherlich heutzutage auch weitergefasst als gesellschaftliche Aufgabe zu verstehen, auch große Ziele zu setzen und diese dann mit Mut und starkem Willen anzugehen.

Das finde ich einen sehr guten Gedanken und ist auch mein Gefühl. Während der Institutszeit sollte versucht werden, die richtige Motivation aufzubauen. Ob man dann gründet oder nicht, muss jeder für sich entscheiden.

Dann will ich deine Zeit aber auch nicht überstrapazieren. Eine letzte Frage noch. Was steht bei dir bzw. euch in der nächsten Zeit an? Was sind so die nächsten wichtigen Schritte, die ihr gehen wollt, um VibroCut noch erfolgreicher zu machen? 

Aktuell befinden wir uns in der Phase der Markteinführung bzw. Industrialisierung unserer Produkte. Die Systeme laufen nun erfolgreich in ersten Pilotanwendungen im industriellen Umfeld. Dies gilt es im nächsten Jahr durch den Ausbau weiterer Referenzen zu bestätigen und dann in eine Skalierung am Markt zu gehen. Dies bedeutet für uns vor allem den Fokus auf bestimmt Märkte und Anwendungsfälle zu setzen.

Vielen Dank Oliver, für das interessante Gespräch. Ich denke, wir werden noch einiges von dir und VibroCut in der Branche hören. Viel Erfolg dabei. 

Dir auch vielen Dank, Oliver.

Autor: Oliver Maiß

Hallo, mein Name ist Oliver und ich bin Gründer und Initiator von Produktionstalente. Ich habe selbst 6 Jahre am IFW in Hannover promoviert und kenne daher viele Herausforderungen vor, während und nach der Promotion. Ich schaffe gerne Möglichkeiten, um Menschen miteinander zu vernetzen, weil ich davon überzeugt bin, dass wir aus jeder Begegnung etwas wertvolles für uns mitnehmen können. Und vielleicht konntest du ja jetzt auch schon etwas von mir mitnehmen.

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